Seminarwoche zu gesellschaftkritischen Themen – Ein Bericht von Marc / Freiwilliger

7. April 2014    Allgemein    Kommentare deaktiviert für Seminarwoche zu gesellschaftkritischen Themen – Ein Bericht von Marc / Freiwilliger

Es ist Montagmorgen, während viele Berufstätige sich grämend auf den Weg zur Arbeit machen, beginnt der Einsatz für die Freiwilligen des HP 9. Die Sonne strahlt, die Gesichter noch mehr, denn es ist Seminarwoche! Nach einer kurzen körperlichen und geistigen Ertüchtigung werden die vergangenen Seminartage rekapituliert und die Wochenaktivitäten geplant. Am Nachmittag stehen Fallbesprechungen zu unterschiedlichen Klienten an.

Viel gewünschtes Thema war „Sexualität und Behinderung“, ein spannender Punkt, der am Dienstag für viel Diskussionsstoff sorgte. Die eingeladenen Referentinnen (Lousia Gordner Donum Vitae Darmstadt / Pia Henkelmann Behindertenhilfe Bergstraße) erläuterten einerseits die rechtliche Lage bezüglich eines Kinderwunsches zweier Menschen mit Behinderung, andererseits auch den oftmals kritischen Blick der Gesellschaft auf derlei Thematik. Mit viel Engagement wurden Fallbeispiele vorgetragen und mit eigenen Erfahrungen hinsichtlich des Umgangs mit Sexualität in der Einsatzstelle ergänzt. Dabei wurde deutlich, dass der Wunsch nach Sexualität von Menschen mit Behinderung sich nicht von dem, der vermehrt verklemmten Gesellschaft, unterscheidet und eine Hochzeit oder auch ein Kinderwunsch legitime Pläne sind.
Um den Tag abzurunden, wurde das Kunstprojekt für die Jubiläumsausstellung des Darmstädter Waldfriedhofes weiter verfolgt (http://www.lebenausgestorben.de/). Neben Interviews und Modellen zum Thema „Das Leben ist nicht tot zu kriegen“ wurden Leinwände mit Farbe bepinselt und beklebt. Es kamen viele verschiedene Materialien und Farben zum Einsatz, die einen kritischen Blick auf die Gesellschaft, sowie Leben und Tod werfen.

Dass im Leben jeder ein Stück weit verrückt ist, bzw. psychische Gesundheit und Beeinträchtigung nur ein schmaler Grad trennen kann, zeigte ein Gastredner deutlich zur Wochenmitte. Er kam in Begleitung von Renate Huckele, Mitarbeiterin beim psychosozialen Hilfsverein in Heppenheim. Ehrfürchtig und nachdenklich schweigend wohnte die Gruppe der Biographie des Gastredners bei. Einem Mann, mittlerweile Rentner, an dem jahrelange harte körperliche Arbeit und lange Arbeitszeiten gezehrt haben. Um den Kummer wegzuspülen griff er zum Alkohol und rutschte dabei in eine Spirale, die Depression und Schizophrenie zur Folge hatte. Er erzählte von wenigen persönlichen Kontakten, die ihm wirklich geholfen haben, Stimmen im Kopf und der Personalnot mancher Beratungsstelle. Fasziniert und erschrocken zugleich hörte die Gruppe zu, bis der Mann seine Geschichte beendet hatte. Applaus und respektvolle Worte beschlossen die Ausführungen. Sichtlich mitgenommen und ebenso beeindruckt von den vorangegangenen Stunden verlassen die Freiwilligen das Gebäude.

Nachdem bereits die Behindertenhilfe Bensheim und die Nikolauspflege Mannheim besucht wurden, stand am Donnerstag die Werkstatt der Behindertenhilfe Bergstrasse in Lorsch an. Zwei der hiesigen Klienten führten die wissbegierigen Freiwilligen durch ihre Arbeitsplätze und erzählten sowohl über ihre eigene Tätigkeit, als auch über die Gesamtproduktion und den Verkauf. Die Seminargruppe konnte danach in der Kantine beim gemeinsamen Mittagessen teilnehmen. Dem anschließenden Vortrag über Autismus wurde interessiert gelauscht. Die Ausführungen über die verschiedenen Arten, sowie eine allgemeine Definition klärten viele im Vorfeld entstandene Fragen und beleuchteten die Welt eines Autisten für Außenstehende.

Am finalen Tag besuchte die Gruppe mit Marcel Heim, einem professionellen Blindenfußballer, den Heppenheimer Kunstrasenplatz. Er erklärte anschaulich, wie gespielt wird, warum der Ball kleine Plättchen im Inneren hat. Nach anfänglichen Bewegungs- und Orientierungsschwierigkeiten entwickelte sich nach einigen Übungen ein recht ansehnliches erstes Spiel, das glücklicherweise von nur wenigen Fouls überschattet wurde.
Den Abschluss einer spannenden Woche bildete ein eigens von den Freiwilligen zubereitetes Mittagsmahl, bestehend aus drei Gängen; der Vorspeise, Salatvariationen mit ausgewählten Dressings, dem Hauptgang, Thai-Curry, und einem Nachtisch, ein frischer Obstsalat.
Nach einer abschließenden Reflektion verlassen die Freiwilligen das Gebäude mit hängenden Köpfen einerseits, weil die Woche ein Ende gefunden hatte, andererseits mit erhobenen Häuptern, sei es wegen den vielen Themen der Woche, oder wegen des anstehenden Wochenendes.

(Bericht von Marc|FSJ im Bereich Behindertenhilfe BJ 13 / 14)